In meinem dritten Buch, meiner Roboterethik (Suhrkamp 2019), habe ich die Unterscheidung zwischen exklusiven / exkludierenden und inklusiven / inkludierenden Ethiken getroffen, die seitdem Hauptgegenstand meiner Arbeit und meines aktuellen, vierten, Buches ist (in academic terms die Habilitation).
Alles ethische Denken in unseren Gesellschaften lässt sich im Grunde auf Aristoteles zurückführen, der angenommen hat, dass Ethik eine rein menschliche Kategorie ist. Diese Auffassung von Ethik ist exklusiv / exkludierend insofern, als sie erstens, in irgendeiner Form zentristisch ist, indem sie, zweitens, von einer anthropologisch-essenzialistischen bzw. wesensessenzialistischen Prämisse ausgeht und, drittens, auf einer hierarchisierten Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt aufbaut.
Mir geht es ganz grundlegend darum, eine Alternative zu dem Modell der exklusiven Ethiken zu entwerfen, die ich in binärer Vereinfachung schlicht inklusive Ethik nenne. Denn die exklusiven Ethiken stehen i.d.R. vor zwei Herausforderungen, nämlich die Gefahr der Diskriminierung und eine Unterdrückung bzw. Verdinglichung eines als solchem (an)erkannten, passiven und implizit oder explizit herabgesetzten Objekts durch das sich selbst als solches erkennende, aktive Subjekt. Haben diese beiden Herausforderungen zwar einen je eigenen Ursprung – die Diskriminierungsgefahr im Wesensessenzialismus (der mit Zentrismen generell einhergeht, aber nicht auf diese beschränkt ist) sowie die Unterdrückung und Verdinglichung in der Subjekt-Objekt-Spaltung (des epistemischen Zentrismus) –, verweisen sie in der Konsequenz jedoch auf dieselbe Schwierigkeit. Es geht nämlich um die Frage, wem die Autorität zukommt, moralischen Status zuzuschreiben und diesem entsprechend zu handeln. Wer wird durch wen als moralische Entität mit einem intrinsischen Wert bzw. als moralisches oder epistemisches Subjekt oder Objekt anerkannt? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der höchsten moralischen Statuszuschreibung für alle weiteren involvierten und ausgeschlossenen Parteien?
Die Diskriminierungs- und Unterdrückungs- bzw. Verdinglichungsbewegungen der exklusiven Ethiken sind ihrem starken Fokus auf die Knotenpunkte, die Relata, auf die Subjekte oder Akteurys, geschuldet. Diesen werden wesensessenzialistisch spezifische Eigenschaften zugeschrieben, über die sie ihren moralischen Status erhalten, durch die sie sich von den Objekten abgrenzen können und mit denen ausgerüstet sie sich als selbstständig agierende Einheiten im moralischen Universum betrachten dürfen. Aus diesem Grund kommt der Bestimmung des moralischen Subjekts und seiner Kompetenzen und Fähigkeiten in exklusiven Ethiken ein großes Gewicht zu, denn sie sind es, um die es in der Ethik im eigentlichen Sinne geht: die Menschen, zuweilen noch die einen oder anderen ausgewählten Nichtmenschen. Die Relata (die Subjekte) sind den Relationen (den Strukturen, Verbindungen, Beziehungen), in die sie miteinander treten, in exklusiven Ethiken vorgängig. Die Art und Weise, in der spezifische Relata miteinander in Beziehung treten bzw. wie die Beziehungen, die sie eingehen, moralisch bewertet werden, hängt von den sie konstituierenden Relata ab. Zwar werden Relationen in exklusiven Ethiktheorien nicht ausgeblendet, allerdings kommt ihnen gegenüber den individuell moralisch zu bewertenden Handlungen des im Grunde als autark verstandenen Subjekts eine nachgeordnete Bedeutung zu.
Inklusive Ethiken verschieben nun den Fokus von den Handlungssubjekten, von den Akteurys, den Knotenpunkten oder Relata auf die Strukturen, Verbindungen, Beziehungen bzw. Relationen. Anders gesagt, gehen im inklusiven Denken die Relationen den Relata voraus. Inklusive Ethik ist nach meinem Verständnis ein Netz gelingender, guter und nicht gelingender, schlechter Beziehungen. Meine inklusive Ethik arbeite ich derzeit in Orientierung an Donna Haraway als Gefährtyschaft am Beispiel der Wissensräume aus.
In my third book, my Robot Ethics (Suhrkamp 2019), I made the distinction between exclusive / exclusionary and inclusive / inclusionary ethics, which has since been the main subject of my work and of my current, fourth, book (in academic terms the Habilitation).
All ethical thinking in our societies can basically be traced back to Aristotle, who assumed that ethics is a purely human category. This conception of ethics is exclusive / exclusionary in that, first, it is centrist in some form, in that, second, it starts from an anthropological-essentialist premise, and, third, it builds on a hierarchized distinction between subject and object.
My basic concern is to design an alternative to the model of exclusive ethics, which in binary simplification I simply call inclusive ethics. For the exclusive ethics usually face two challenges, namely the danger of discrimination and a suppression or reification of a passive and implicitly or explicitly degraded object recognized as such by the active subject recognizing itself as such. If these two challenges each have their own origin – the danger of discrimination in essentialism (which generally goes along with centrist approaches, but is not limited to them) as well as the oppression and reification in the subject-object dichotomy (of epistemic centrism) – they refer in consequence, however, to the same difficulty. Namely, it is a question of who has the authority to ascribe moral status and to act in accordance with it. Who is recognized by whom as a moral entity with intrinsic value, or as a moral or epistemic subject or object? What are the consequences of the highest moral status ascription for all other involved and excluded parties?
These two movements of discrimination and oppression or reification of the exclusive ethics are due to their strong focus on the nodes, the relations, on the subjects or actors. Specific properties are attributed to them in an essentialist way, through which they receive their moral status, through which they can distinguish themselves from the objects, and with which, equipped, they may consider themselves as independently acting entities in the moral universe. For this reason, the definition of the moral agent or subject and its competences and capacities is of great importance in exclusive ethics, because it is them who are at stake in ethics in the true sense: human beings, sometimes also some selected nonhumans. The relata (the subjects) are prior to the relations (the structures, connections, relationships) into which they enter with one another in exclusive ethics. The way in which specific relata enter into relations with one another, or how the relations they enter into are morally evaluated, depends on the relata that constitute them. Although relations are not ignored in exclusive approaches of ethics, they are of secondary importance compared to the actions of the subject, who is basically understood as self-sufficient, which are to be evaluated morally on an individual basis.
Inclusive ethics now shifts the focus from the subjects of action, from the agents, the nodes or relata to the structures, connections, relationships or relations. In other words, in inclusive thinking, relations precede relata. Inclusive ethics, in my understanding, is a network of successful, good relations and unsuccessful, bad relations. I am currently developing my inclusive ethics in orientation to Donna Haraway as companionship using the example of knowledge spaces.